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Schädlingsbekämpfung / Kammerjäger gab’s vor 200 Jahren

Der Schabe die Luft abdrehen

Aus dem Schadnagerjäger ist ein spezialisierter Ausbildungsberuf geworden


Hall. Kammerjäger, die von hochherrschaftlichen Leuten angestellt wurden, Kammern und Kasten von Mäusen und Ratten zu befreien, gibt’s heute nicht mehr. Der moderne Schädlingsbekämpfer von heute fährt im neutralen Auto vor, holt seine Eimer, viereckige Schachteln, eine Mappe und vielleicht einen Staubsauger heraus und klingelt wie ein Vertreter an der Haustür. "Niemand in Deutschland will, dass der Nachbar weiß, der Schädlingsbekämpfer musste gerufen werden. Dabei sind manche Schädlinge zum Beispiel in der Altstadt so weit verbreitet, dass der Nachbar sie wahrscheinlich auch im Haus hat.

Schaben, Lebensmittelmotten, Mäuse und die eine oder andere Ameisenart gibt’s in alten Stadtvierteln sehr häufig, sagt Berthold Knabe, der seinen Betrieb vor zwei Jahren in Vellberg-Großaltdorf gegründet hat. Klebefallen hat er vor Wochen in den Räumen verteilt, die einst von einem Lebensmittel verarbeitenden Betrieb bewirtschaftet wurden. Hier geht’s um Monitoring. Überprüfen, was in den Fallen hängen geblieben ist. Berthold Knabe packt die alten Fallen ein, legt neue aus. "Das schaue ich mir später im Betrieb unterm Mikroskop an." Es sind nur kleine Punkte von Insektenkörperchen auf den Klebefallen. Weit und breit keine Schabe. Die orientalische Schabe, die sich in dem Haus vor Jahren mal breit gemacht hatte, wird bis zu zweieinhalb Zentimeter groß. Nichts zu sehen von ihr. Berthold Knabe gibt aus einer großen Spritze einen Fraßköder an feuchte Stellen, wo sich Schaben gernbe aufhalten. "Die können sich in Ritzen verstecken, das glaubt

Berthold Knabe bekämpft jede Schabe. In Deutschland kommt der Schädlingsbekämpfer, anders als in den USA, wo er öffentlich auftritt, eher insgeheim und im neutralen Fahrzeug. Foto: ars

man gar nicht, dass da ein so großes Tier reinpasst", sagt er. Das Gel, das er aus der Spritzze drückt, enthält einen Wirkstoff, der in den einzelnen Körperzellen bestimmte Rezeptoren blockiert, die dann keinen Sauerstoff mehr aufnehmen können. "Ich dreh’ denen regelrecht die Luft ab." Er greift nach einer der alten Klebefallen, zeigt auf die winzigen Insektenleichen darauf. "Und die kleinen Punkte da können durchaus auch Nymphen der Schabe sein, Schabenlarven sozusagen." Ein "Gutes" kann er an der orientalischen Schabe finden: sie kann nicht wie ihre Kollegin die "Deutsche Schabe" an glatten Wänden hochklettern.
Vier Schabenarten kommen in Deutschland hauptsächlich vor. Außer den beiden genannten noch die so genannte Möbelschabe, die’s nicht so feucht haben will, wie die andern, und deshalb schon auch mal mit einem Elektrogerät aus Fernost zu uns gelangt, und die amerikanische Schabe, die bis zu dreieinhalb Zentimeter groß wird.
"In Amerika, erzählt Knabe, da müsste ich meine Arbeit nicht so still und heimlich machen. Da könnte ich unter Tage in einem Fast-Food-Restaurant hinter Schabe und Co her sein, das würden die Leute eher mit dem Gedanken honorieren, dass es da sauber ist, weil ich ja meine Arbeit mache. Bei uns wird Schädlingsbefall immer verheimlicht und als peinlich angesehen."
Dabei können die meisten Leute gar nichts dafür. So wie jene Hausbewohner, die Berthold Knabe vor einigen Wochen kontaktierten, sie hätten kleine runde Käferchen, die aus manchen Ritzen krochen. Kugelkäfer. Die können sich manchmal explosionsartig vermehren. "Taten sie auch bei diesen Leuten, noch bevor ich anrücken konnte." Plötzlich rieselten sie zu Tausenden aus den Zwischendecken, wo sie sich in der Dämmschüttung vermehrt hatten. Das Haus war Tage lang unbewohnbar.
So selten sind diese Kugelkäfer gar nicht. Seltener schon der Messingkäfer, der aussieht wie eine Spinne und messingfarbene Haare hat. Oder die Pharao-Ameise. "Sehr gefährliches Geziefer", sagt er. Die beigefarbenen Ameisen haben nicht nur eine Königin, sondern hunderte. Und macht man ein Nest zunichte, haben sie irgendwo im Holz von altem Gebälk schon ‘zig neue Nester gegründet.
Apropos altes Gebälk. Da nisten sich gerne die Holzwürmer ein, der gemeine Nagekäfer, oder der Holzbock. Denen beizukommen gibt es verschiedene Methoden. Jüngst wurde mal die Hergottskapelle von Creglingen mit dem berühmten Riemenschneider-Altar dicht gemacht und tagelang unter Gas gesetzt. Eine andere Methode ist, einen Dachstuhl mit Heißluft auf 70 bis 80 Grad aufzuheizen, damit’s im Innern der Balken mindestens 55 Grad heiß wird. Da gehen die Holzböcke auch kaputt. Berthold Knabe selbst bevorzugt eine weniger gefährliche Methode. Er bohrt dünne Löcher und presst unter Druck Borsäure ins Holz. Alles was da binnen acht Monaten drüber krabbelt ist erledigt.
Es gibt viele Methoden, Insekten aus den Häusern zu bekommen. Berthold Knabe hat bestiimmt 50, 60 verschiedene Mittelchen. Die meisten für den Menschen ungiftig. Aber nicht immer, auch nicht, wenn sie natürlichen Ursprungs sind, wie Pyretrum, das von einer tropischen Chrysantheme stammt und gegen die weit verbreiteten Lebensmittelmotten eingesetzt wird.
"Acht Stunden, und der Spuk ist vorbei", sagt Knabe. Wer sich aber selbst mit Mittelchen aus dem nächsten Baumarkt versorgt, warnt er, der kann sich die ganze Wohnung mit irgendwelchem Giftzeug kontaminieren und hat doch oft nicht die gewünschte Wirkung. Bei den vielen Schadinsekten, Fressschädlingen, Hygieneschädlingen, Gesundheitsschädlingen, "die wir durch den weltweiten Handel" immer öfter zu uns bekommen, habe man nicht ohne Hintergrund den Schädlingsbekämpfer zu einem richtigen Ausbildungsberuf gemacht. Ein Schädlingsbekämpfer ist ein Handwerker, der nach DIN Norm (68800) und EU Verordnungen (852/2004) arbeitet und diese Arbeit auch dokumentiert, was etwa Lebensmittel verarbeitende Betriebe sogar nachweisen müssen. Und er ist ein Handwerker, der gelegentlich auch einen Reim wie "Berthold Knabe bekämpft jede Schabe" belächelt.

 

 

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