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Kultur / Poetry Slam des Club alpha 60 als Mehrstationen-Event

Wunderkerzen für Fischers Fritze

oder wie der Ludwigsurger "Magister" Andreas Maier von erfahrenen Slam-Poeten lernt

Erstmals fand der Club alpha Poetry Slam um den mittlerweile schon berühmten Pflasterstein-mit-Tintenfass-und-goldner-Feder-Pokal nicht im geschlossenen Kämmerlein statt, sondern als samba-trommeln-begleitete Tour durch die Stadt: Henkersbrücke, große Treppe, Grasbödele. "Dies ist mein 14. Slam", sagte Andreas Maier aus Ludwigsburg, Magister Andreas Maier, und fühlte sich ein wenig wie der "Herausforderer"

Ernst-Walter Hug

Hall. Hundert wenn nicht mehr Slams hatten einige seiner Mit-Poeten "auf dem Buckel", nahmen schon an deutschen Meisterschaften teil - die diesjährige findet vom 3. bis 7. Oktober in Berlin statt - oder gehen mit eigenen kabarettistichen Lesungen auf Tournee: Dagmar Schönleber aus Köln etwa hatte ihren Endrundentext auf dem Grasbödele in Hall schon mal vorgetragen, nur wenige Meter entfernt im alten Schlachthaus, bei einer Triangel-Veranstaltung. Damals hatte sie auch zur Gitarre gesungen. Doch singen ist bei einem Poetry-Slam strengstens verboten. Rappen nicht. Und so zog nicht zuletzt durch seinen Fischers Fritze Rap "Angeln Berlin 2007" - natürlich schon geschrieben für die kommende Meisterschaft - Nils Heinrich aus Stuttgart die Zuhörer bei der Siegerabstimmung auf seine Seite. Und ganz anders als Andreas Maier aus Ludwigsburg, der sich ein wenig davor fürchtete, als erster vors noch unbekannte Publikum zu stehen - " da hat man schlechte Chancen" - überzeugte Nils doch mit seinen fast schon sprachphilosophischen Fragen: "warum eigentlich wird aus egalen Sachen immer Wurst und aus doofen Sachen Käse?"
"Mir doch wurst", murmelte grinsend Andreas Maier, der in Tübingen Philosophie und Geschichte studierte und sich unter anderem deshalb auch den Poetry-Slam-Kampfnamen "Magister" zugelegt hat. Irgendein Gedanke brachte ihn dazu, nach seinen Texten in der Jackentasche zu kramen. Was er vorzutragen gedachte, wollte er nicht verraten, nur dass er drei Texte dabei habe: zwei "kampferprobte" und einen neuen. Viel Beifall gab’s für den ersten Poeten Nils und als erneut per Los über den nächsten auf der Bühne entschieden wurde, stieg die Spannung auch beim Magister. Doch das Los entschied für "King" Lasse Samström, den in Bonn lebenden Augsburger oder in Augsburg lebenden Bonner. Auch er brachte das Publikum zum Lachen mit Schüttelwortsätzen und -Geschichten, wie man sie sich in den 90ern bei RTL-Samstagnacht abgucken konnte "Kentucky fried Chicken" eingedeutscht "Kentucky schreit...: die deutsche Sprache macht aus vielen Worten ganz andere, wenn man Buchstaben vertauscht. Dem Magister gefielen Lasses Texte. "Er ist mein Favorit heute abend", verriet er seinem Bruder Michael, der aus der Menge der Zuhörer als Unterstützer zu ihm kam, als es mit Trommelbegleitung von "Samba Salinas" zum Marktplatz und zur großen Treppe ging.

Beleuchtungsprobleme wurden durch einen großen Scheinwerfer vom Rathaus gelöst und Frank Klötgen aus Berlin wurde nach Christopher Barth aus Ravensburg mit seiner Mücken-Mord-Geschichte und Svenja Schuster als lokaler Spontankandidatin als fünfter Teilnehmer in die Vorrunde gelost. Andreas Maier war immer noch nicht dabei und "ich habe bei solchen Auslosungen immer Pech" befürchtete bereits jetzt, als letzter an die Reihe zu kommen. "Das ist schlecht. Da haben alle schon alles als Vergleich. Da kann man ja nur noch abfallen." Und so kam es auch. Nach Franks "Schiller"-Adaption "Der Täucher mit dem güldnen Neopren" und Dagmar Schönlebers Umdichtung des "Rotkäpchens" konnte Magister Maier mit seiner Erzählung aus dem "Tagebuch eines Koksers in der Werbebranche" kaum mehr als ein paar Lacher ernten. Falsche Publikumszusammensetzung. Verhindern, dass Dagmar und Frank in die Endrunde kamen, konnte er damit nicht.
Enttäuscht? Eigentlich "Nein. Es ist ein außergewöhnlich schöner Slam. Schon diese Kulisse der nächtlichen Stadt", sagte Magister Maier auf dem Weg zum Grasbödele, wo schließlich Reiko Kolar und Helmut Kübler, die beiden Moderatoren des Slam zur Endrunde aufforderten und schließlich etwas Schwierigkeiten mit dem Abstimmungsmodus per brennender Wunderkerze hatten. Sehen ist eben nicht immer besser als hören. Die Lichter brannten viel zu schnell ab. So kam es erneut zur Applauswahl. Und obwohl Andreas Maier lautstark für Lasse stimmte, sein Favorit schaffte es nicht ins Stechen. Die gut 200 Zuhörer stimmten letzlich für Nils Heinrich aus Stuttgart: "Fischers Fritz fischt frische Fische... Wenn ihr alle mitmurmelt, halten’s die Lauscher hinter ihren Fenstervorhängen für ‘ne neue Religion! ...frische Fische fischt..."

 

 

 

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