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Entsorgung / Mit dem Umweltmobil auf Sammeltour

Von Quecksilber bis Brezellauge

Mitunter werden bei Sammeltouren nicht nur lästige, sondern auch höchst gefährliche Dinge eingesammelt

27. August bis 19. September: an drei bis vier Orten täglich taucht der Lastzug mit seinem speziellen Anhänger auf: Das Umweltmobil. Hinten wird eingesammelt und kontrolliert, vorne auf der Zugmaschine die vollen Fässer verstaut.

Ernst-Walter Hug

Landkreis Hall. Es warten schon einige Leute auf dem Parkplatz als der Laster anrollt. Mit wenigen Handgriffen baut Fahrer Ivan Sigov eine eiserne Trppe auf, die hinauf zur Ladefläche des Anhängers führt. Dort hat der diplomierte Chemieingenieur Arnold Haase eine Tür geöffnet und mit einem Annahmetisch gleich wieder verschlossen. Hinter ihm sieht man Reihen von blauen und schwarzen Kunststoffässern. "Dahinein kommen all die Stoffe, die die Leute anliefern." Haushaltsübliche Dinge sind es meist, was die Leute anschleppen, zu zweit links und rechts einen großen Karton tragend, viele Eimer und Dosen in einem Schubkarren, Kübel mit Farbe und Holzbeize im Kofferraum eines Autos, ein kleiner Kanister mit Brezellauge direkt in der Hand..

"Jetzt habe ich mal wieder den Schuppen aufgeräumt", sagt Walter Probst. "Und endlich auch den Karton mit den gesammelten Batterien mitgenommen, den ich seit Jahr und Tag beim Putzen hin und her schiebe", ergänzt seine Frau Inge. Farbe, etwas halbeingetrockneten Kleister und Reste von einem Holzschutzmittel sind die andern Sachen, die sie dabei haben.
"Das ist auch das, was wir am meisten bekommen", sagt Andrea Bogdan von der Abfallwirtschaft im Haller Landratsamt, die die Leute auch berät, wenn sie Fragen haben, oder wenn sie Dinge anliefern wollen, die vom Umweltmobil nicht mitgenommen werden. Fette und Öle beispielsweise. Für die hat man beim Kauf schon eine Entsorgungsgebühr bezahlt und eigentlih müssten die Verkäufer auch die gleiche Menge Öl wieder zurücknehmen. Die meisten Tankstellen und Werkstätten tun dies auch.
Leuchtstoffröhren wurden früher vom Umweltmobil eingesammelt. Jetzt aber nicht mehr. Sie müssen, wie die modernen Energiesparlampen auf den Werstoffhöfen abgegeben werden. "Doch seien sie vorsichtig", erklärt sie einer Frau, die schon zwei zebrochene Röhren im Karton hat. Die Lampen enthalten Quecksilberdampf. Wenn sie die Lampen zerbrechen, entweicht der Giftstoff noch in ihrer Wohnung." Und Arnold Haase ergänzt: "die Energiesparlampen können auch metallisches Natrium enthalten. Wenn das mit Feuchtigkeit, mit Wasser in Berührung kommt, reagiert es sehr heftig. Dabei kann sogar Feuer entstehen."
Lösungsmittel, Lacke, Lasuren, Medikamente, Putzmittel: die Liste der umweltbelastenden Stoffe ist lang. Manchmal, erzählt Andrea Bogdan, werden bei Medikamenten noch völlig unangetastete Packungen angeliefert." Da fragt man dann, weshalb die Leute die Arzeien überhaupt in der Apotheke holen. "Ha, weil’s dr Doktoi verschrieba hat", habe ihr eine Frau mal ganz lapidar geantwortet. "Bei Medikamenten und bei Putzmitteln, da könnten wir richtige Listen führen, welches Mittel was taugt und was nicht", meint Arnold Haase. "Was voll oder kaum angebrochen hierherkommt, taugt nichts, hält nicht, was es verspricht."
Auch Seltenes wird angeliefert an diesem Morgen. Ein Mann bringt einen zu einem Drittel noch vollen Kanister mit Farbe für einen Tintenstrahldrucker. "Der Drucker hat längst den Geist aufgegeben und das Zeug steht seit zwei Jahren daheim rum" Da er niemand weiß, dem er die Farbe geben könnte, wird sie nun "entsorgt".
"Entsorgt" und zwar gesondert, wird auch ein braunes Fläschen mit einem ganz speziellen Inhalt, den eine ältere Frau mit bringt "vom Speicher" wie sie sagt, aber ohne genauer erklären zu können, wie das Fläschen mit dem roten Pulver in ihren Besitz gekommen ist: hochgiftiges Quecksilberoxid. "Mit solchem Zeug hat man früher Salben angerührt gegen Syphillis und andere schlimme Krankheiten", weiß Arnold Haase.
Auch anderes schlimmes Zeug hat er schon bei seinen Touren durchs Land bekommen. "Man weiß oft gar nicht, wie die Leute an sowas kommen, Kanister mit bleihaltigen Farben, die nur die Armee benutzt, Gifte und Stinkzeug, da sträuben sich einem die Haare, etwa wenn die Leute Ammioniak in undichten Behältnissen daher bringen oder Sprengstoffe, die sie aus Gewehrpatronen gepult haben. Einer brachte mal eine scharfe Handgranate." Er schüttelt den Kopf, greift in seine Brusttasche und notiert das Quecksilberfläschchen extra, bevor er’s in einem Fass versenkt. Dann kommt schon der nächste, liefert etwas eingetrocknete Fassadenfarbe und ein paar nicht ganz leer Spraydosen. Was völlig Normales "Abends ist unser Laster voll", sagt Andrea Bogdan. "Fast regelmäßig."

 

 

 

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