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Literaturtage / Lesung zur Ausstellung Enuensberger, Grass, Hesse

Vorlesung zu Multitalenten der Kunst

Malende Literaten:Ulrich Popp las aus und über Hesse

Wer zur sonntäglichen Matinee in die Kunsthalle Würth kam, um von Schauspieler Ulrich Popp etwas nostalgisch verklärt Hermann Hesse vorgelesen zu bekommen, so wie man ihn selbst zu Jugendzeiten vor 30, 40 Jahren verschlungen hat, der sah sich spätestens nach einer Viertelstunde positiv enttäuscht. Ulrich Popps Hesse-Matinee war keine Lesung von Literatur, das war eine spannende Vorlesung in Literaturgeschichte.

Ernst-Walter Hug

Hall. Sicher, auch Klingsors letzter Sommer kam nicht zu kurz. Der fast 70-jährige, vielfach erfahrene Schauspieler Ulrich Popp, den Hallern durch zahlreiche Rollen bei den Freilichtspielen bekannt, etwa den "Kaiphas" in "Jesus Christ Superstar" oder den "Tod" im "Jedermann", ließ durch seine Art der Lesung vor dem inneren Auge der Zuhörer die Gemälde entstehen, die Hesse seinem 'fiktiven' Maler Klingsor einbeschreibt, Bilder, farbig und bunt und tiefgründig, vielschichtig wie van Gogh-Gemälde. Manch Literaturwissenschaftler behauptet, so Ulrich Popp, der für diese Matinee umfangreich recherchiert hatte, Hesse habe van Gogh vor Augen gehabt, als er Klingsor schrieb. Dabei war van Gogh 1919, als Klingsor entstand, alles andere als ein allgemein bewunderter Maler.

Ulrich Popp vor einem über-lebensgroßen Fotoportrait Hermann Hesses in der Kunsthalle Würth. Foto:haku

"Klingsors letzter Sommer" ist auch ein Stück Selbstprojektion Hesses, der jener Maler selbst hätte sein können. Denn wie viele andere Künstler, wie viele andere Literaten hatte Hesse eine Doppelbegabung. Er konnte Bilder nicht nur mit Worten plastisch beschreiben, er hat auch weit über 2000 Auqarelle und Zeichnungen oder Illustrationen zu seinen Geschichten hinterlassen. Doch in nur wenigen Abhandlungen über den Nobelpreisträger Hesse ist darüber etwas zu erfahren. "Ein Gebiet das die Literaturforschung sträflich vernachlässigt", so Ulrich Popp, der diesen Mangel nicht nur bei Hesse, sondern allgemein bei allen Literaten und Künstlern mit Mehrfachtalent beklagt.
Dabei, so stellte er bei seiner sonntäglichen Matinee-(Vor)lesung Hesse in einen umfangreichen Kontext von den Minnesängern beginnend über die großen bekannten Multitalente Goethe, E.T.A. Hoffmann oder den hier in der Region in Obersontheim gebornenen Christian Friedrich Daniel Schubart bis zu Autoren wie Robert Walser, den Hesse selbst zu seinen Lieblingsautoren zählte. Den Maler in einer seiner Erzählungen läßt Walser denken: "Ich schreibe zu meinem Vergnügen, so als Dieb, als Schelm zwischendurch. Warum soll ich dies diebische Vergnügen meiner Hand nicht gönnen?." Vielleicht mag dies für Hermann Hesse in der Phase seines Lebens, als er sich im Tessin als Maler versuchte, auch gelten.
Darüber hinaus zitierte Ulrich Popp in seiner (Vor)lesung aus einem 1938 veröffentlichten Essay von Herbert Günther, aus Vorworten zu der wenigen Literatur, die es zum Thema der Mehrfachtalente gibt, sowie aus den von seinem (posthumen) Lektor beim Suhrkamp Verlag Volker Michels herausgegebenen Bänden zu Hesse als Maler. Dort wird Hesse aus einem Brief zitiert: "Als Dichter wäre ich ohne das Malen nicht so weit gekommen." Auch wenn er sich selbst als Maler "als Dilettant" bezeichnete, sein bildhaftes Vorstellungsvermögen und seine Fähigkeit diese Gedanken auch in Worten auszudrücken, verdeutlichen Hesses Doppeltalent, wie es gemeinsam mit denen der Literaten Magnus Enzensberger und Günter Grass derzeit in der Kunsthalle Würth zu sehen ist.

 

 

 

 

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