eMail an editor

Aktuell Archiv Extra

 

Orden / Der Vellberger "Hohe Rat" ehrte Filmregisseur Oliver Storz

18. Ritter zum "Krummen Balken"

Politiker, Unternehmer, Schauspieler, Autoren pflegen
seit mehr als 30 Jahren "reduzierte Wahrheit"

Seit etwas mehr als 30 Jahren wird in Vellberg auf dem Schloss vom 'Hohen Lügenrat', der sich der Pflege der 'reduzierten Wahrheit' verschrieben hat, ein Orden verliehen, der nur oberflächlich betrachtet, etwas anrüchig ist. Denn ums wirkliche 'Lügen' geht's ja nicht, wenn man zum "Ritter des Krummen Balkens" geschlagen wird. In diesem Jahr wurde nach Ex-Freilichtspielintendant Achim Plato vor zwei Jahren und Unternehmer Reinhold Würth im vergangenen Jahr diese Ehre als 18tem Ritter in Folge Filmregisseur und Autor Oliver Storz zuteil.

Ernst-Walter Hug

Vellberg. Die Sache mit dem krummen Balken ist die: er biegt sich bei Anwendung der etwas gedehnten Wahrheit eigentlich nur, um zu sehen, ob der Anfang der Geschichte auch noch da ist... Nein, um's Wirkliche Lügen gehe es nicht, erläuterte der Vellberger Kulturkreisvorsitzende Karl-Heinz Rößler, sondern um das Aufzeigen der Maske aus Scheinheiligkeit, die den Menschen in seiner alltäglichen Rede oft umgebe. Man stelle sich nur den Mann vor, gab Rößler ein Beispiel, der auf die Frage seiner Göttergattin "Na, schmeckt's?" mit einem offen und ehrlichen "Nein" antworte.

Vom Vorsitzenden des Hohen rates zum 18. Ritter vom Krummen Balken geschlagen: Oliver Storz am 1. April 2006 im Schloss zu Vellberg.

Bedauert wurde von ihm und dem "Hohen Lügenrat", dass in diesem Jahr zahlreiche Prominente der Vellberger eine größere Veranstaltung vorzogen: den Haller Sportlerball. Doch "wo bitte hätten die denn im Saal noch Platz gefunden", erntete der Ritterschaftskandidat einen ersten Lacher. "Ich bin nicht unglüclich über fehlende Prominenz. Zeigt das doch, dass wir uns hier in elitärer Gesellschaft befinden." Ungern allerdings lässt sich Oliver Storz als Professor titulieren. Das sei er zwar vier Semester lang mal gewesen, vor mehr als 30 Jahren. Aber er habe sich nicht verbeamten lassen wollen und deshalb aufgehört. Immer noch aber kommen Briefe, adressiert an Professor Oliver Storz."Ich möchte doch darum bitten, dies künftig zu unterlassen und alte Adresskarteien endlich zu korrigieren." Reaktion aus dem Publikum: "Ja, Herr Professor!"
Eine ganze Reihe von Laudatoren ehrten und beschrieben den Ritterschaftsanwärter: Künstlerin Kerstin Fahr tat dies mit teil unglaublich virtuosem Spiel der Flöte und Violine, der Vorsitzende des Hohen Rates Clemens Amend, der an demselben Gymnasium sein Abi machte, wie einst Oliver Storz, am Haller Gymnasium bei St. Michael, tat's mit einer ausführlichen Vita, der Vellberger Lyriker Dieter Walz, mit einem Gedicht, in dem er aus "Oli" flugs einen "Uli" machte, damit er es ihm "besser in die Schuhe schieben" konnte, oder der "Hohe Rat" Jörn Naerum, der postulierte und in zahlreichen Beispielen belegte, das es eine "absolute Wahrheit" nicht gibt:"Wer die Fackel der Wahrheit durch die Welt trägt, hat Schwierigkeiten, niemandem den Bart zu versengen."
Dieses Gefühl habe er anders herum auch schon gehabt, meinte kurz vor seinem Ritterschlag auch Oliver Storz, immer dann nämlich wenn er sich Laudationen über sich selbst habe anhören müssen. "Da habe ich oft gedacht, da ist eine Verwechslung vorgekommen und morgen stehe ich als Hochstapler in der Zeitung mit den großen Buchstaben. Dann habe ich mal mit Loriot darüber geredet und der beruhigte mich: so funktioniere das Ritual nun mal. Stellen Sie sich doch vor, es würde uns jemand porträtieren, der uns wirklich kennt." Und nun ein Orden fürs Lügen! Da habe er sich natürlich gefragt: "Kennen die mich?"
Dahinter stehe oft die Frage an ihn als Autoren:"Haben sie das alles 'nur' erfunden?" Wobei ihn diese 'nur' besonders störe. Alles beginnt mit Übertreibung der Wahrheit, erläuterte Storz. Künstler er–finden nicht, sie finden. Wobei ihr Finden allerdings nicht nach dem Prinzip "Suchet, so werdet ihr finden" verlaufe, sondern nach dem des plötzlichen Entdeckens und Erkennens, dass man etwas entdeckt habe. Aus der Art, wie man die bereits existente Geschichte, den Film, das Buch aus der Entdeckung freilege, ergebe sich dann, ob aus "übertriebener Wirklichkeit" dann Kunst oder eine Lüge werde.
Und, nach seinem Ritterschlag, den "Krummen Balken" in Händen haltend, bedankte auch er sich mit einem kleinen Reim:
"Dass sich beim Lügen
die Balken verbiegen
ist leider gelogen ..."
Und blickt man von genau oben drauf, dann ist der Balken tatsŠchlich gerade.

 

 

 

©  product verlag img.eMaileMail an Redaktion