Konzert / Singer-Songwriter David Munyon im Alten Schlachthaus
Botschafter aus einer anderen Zeit
Max Rabe macht's mit seinem Palastorchester, gesellschaftlich
etabliert und anerkannt mit Schlagern der 20er- und 30er Jahre... David
Munyon lebt abseits vom großen Ruhm mit der Gitarre und seinen
Songs, die direkt dem Lebensstil der Jugendrevolution der Endsechziger
und frühen Siebziger zu entspringen scheinen. Halls Konzertkreis
Triangel und das städtische Kulturbüro haben den exzellenten
Musiker eingeladen.
Ernst-Walter Hug
Hall. Dumdumdumdum....
schnörkellos gibt er sich selbst den Rhythmus vor, legt einige
gezupfte und aufgelöste Akkorde darüber, singt seinen Blues
"Never give up", noch bevor Organisator Oliver Schmidt auch
nur zu einer Begrüßung vors Publikum treten konnte, das selbst
während der ersten Songs noch in den Saal drängt. Stühle
werden herbeigeschafft, andere stehen, Bierglas in der Hand, der Wand
entlang. David Munyon - viel mehr als dass er so heiße und aus
Alabama komme hat er nicht gesagt. Er sei keiner, der auf die Bühne
gehe und Witze erzähle, sagt er später, irgendwann zwischen
zwei Songs, die er mit rauchiger, Whiskey? geölter Stimme vorträgt.
Aber nein, es sind Unmengen von Kaffee, die er trinkt, Schluckweise,
zwischen den einzelnen Liedern. Und stets tupft er sich den Bart danach
ab, bevor er wieder in seinem Songalbum blättert...."welchen
Song spiele ich nun?"
Buntes
Hemd, Bart, halblanges Haart, ein etwas zerschlissenes Halstuch, die
Gitarre: David Munyon ist eine Erscheinung, die aussieht, die ausstrahlt:
"ich bin ein Überbleibsel der Generation Jugendrevolte, ein
bisschen Rock'n'Roll, ein bisschen Hippie, ein bisschen Demo-Student"
Er ist einer, der mit Greatful Dead in der Kommune hätte leben
können, einer von denen, die erst durchs indische Goa trampten
und dann auf amerikanischen oder europäischen Open Air-Konzerten
gegen den Vietnamkrieg sangen und für Frieden demonstrierten....
einer der das immer noch tut, Botschafter aus einer anderen Zeit, einer,
dem der Rest der Welt mit all dem Raffen von Geld und Macht, die Welt
mit ihrer immer ausgefeilteren und immer noch moderneren Technik völlig
egal scheint, einer, der etwas gebeugt auf die Bühne schleicht,
eine Leiter vom Beleuchter, zwei Kleiderständer vom 'Kleinen Theater'
- schaut, das ist mein 'Palastorchester' - ein Lesepult, zwei Bücher
darauf: Paramahansa Yogananda "Autobiography of a Yogi" und
"A Spiritual Guide Book" der englische Führer zum 2005er
Welt-Jugendtag in Köln, das ist seine Bühnendekoration. Und
davor sitz er, spielt mit Akribie und Genauigkeit seine Gitarre, da
sitzt jeder Griff exakt - wie auch anders, wenn man dreißig Jahre
nichts anderes macht - da sitzt er, singt seine Texte, als würde
er innerlich über irgendeinen Scherz lachen, der sich dem Publikum
nicht erschließt, sonder nur ihm, weil er "buy me a Ticket
to London", singt und dabei eine konkrete Situation vor Augen hat...
Beifall, Applaus, Blättern im zerfledderten Ordner: Welcher Song
als nächstes?
Erinnerung: wir saßen einst auf der Limpurg oder auf Mäuerchen
im Frank'schen Garten gegenüber, spielten Don McLean, Neill Young
oder Dylan Lieder nach, versuchten uns an John Lee Hooker-Blues und
Eric Clapton-Riffs... Aber hätten wir den Mut gehabt, daraus einen
Beruf zu machen, unseren Lebensunterhalt damit zu verdienen?
Genau so, wie wir einst auf den Mäuerchen der Limpurg oder auf
der Haalmauer, so sitzt Munyon auf der Bühne, hat sich ein Publikum
dazu geholt, gut, aber eigentlich ist das gar nicht so wichtig, ob da
fünf oder fünfzig sitzen oder Tausende auf einem Open Air.
Die fehlende Berühmtheit, die manche seiner Promoter bedauern,
und die er doch so sehr verdient hätte, ihm ist die völlig
egal. Und so ganz ohne ist er ja nicht: immerhin eine eigene Seite im
weltweiten Internet-Lexikon Wikipedia haben ihm seine Musik, seine Malerei
- ja, Munyon malt auch in einem Vincent-van-Gogh-meets-Forrest-Gump-Stil
- eingebracht. Ist doch besser, statt von der Musikindustrie gelebt
zu werden, das zu leben, was man will und fühlt.
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