Geburtstag / Kitty Petersen feiert ihren 80. Geburtstag
Keine Angst vor großen Tieren
Sie fährt Auto, geht täglich mit ihrem Hund spazieren, Sie
versorgt Haus und Garten, schreibt Leserbriefe, hat keine Scheu auch
mit 'großen Tieren' zu korrespondieren, sie sorgt sich um Menschen,
ihre Tiere, den Tierschutzverein, organisiert dessen Mitglieder-Zeit-schrift,
Anzeigen, Druck, Vertrieb... Sie ist 80, und all das ist keine Vergangenheit
sondern Kitty Petersens Alltag:
Ernst-Walter Hug
Schwäbisch Hall. Ihre Familie
stammt aus Westpreußen. Sie sei die einzige Berlinerin in der
Familie, erzählt sie, getauft auf den Namen Brigitte. Sie gehört
zu der Generation, der durch Weltwirtschaftskrise und das anschließende
1000-Jährige die Kindheit geklaut wurde. Mit elf musste sie bereits
Verantwortung in der Familie übernehmen, als die Mama schwer krank
wurde. Einzige Freude damals: "wenn wir Verwandte auf den Gütern
in Westpreußen besuchten und ich reiten konnte." Es ist schwer
aus heutiger Sicht, diese Zeit zu beschreiben. "Eine typische Jungmädchenzeit,
bummeln gehen, Köpfe zusammenstecken und tuscheln, Jungs hinterherschauen,
Popmusik hören und mit dem Taschengeld alles Unnötige einkaufen,
das hatten wir damals nicht: wir waren organisiert im Bund Deutscher
Mädel, mussten Arbeitsdienste leisten."
Gitti lernte technische Zeichnungen zu erstellen, lernte als Zugbegleiterin
auch, wie man einen S-Bahn-Zug fährt, lernte, alleine in Berlin
zurecht zu kommen, als der Vater im Krieg blieb, vermisst, nie eine
Nachricht.
Versprochene Ehen? Die gibt's nicht nur im Islam. Als Sie 20 war heiratete
sie in eine Firma: Getränkeherstellung und Lebensmittelgroßhandel.
Die Väter waren befreundet und hatten gesagt, dass die Kinder sich
einmal kriegen würden... Zwölf Jahre lang organisierte sie
im Inselstaat Berlin den Betrieb, fuhr manchmal illegal, versteckt zwischen
Ladung und Fahrerkabine von Lastwagen in den Westen, um Waren zu kaufen.
Hatte damals sogar in Braunschweig eine feste Bleibe. Anfangs war Berlin
richtig blockiert. "Es gibt Dinge, die vergisst man einfach nicht,
z.B. was der erste Lkw, der nach der Blockade Blumen umkränzt über
die Grenze kam, geladen hatte: Sauerkraut!"
Als aus Gitti Kitty wurde, das war im Februar 1957 auf Deutschlands
höchstem Punkt, der Zugspitze. Da lernte sie ihren 'Peter' kennen
(der natürlich auch nicht Peter hieß sondern Wilhelm) mit
dem sie dann fast 40 Jahre verheiratet war. Soll einer sagen, die wilden
Jahre habe es erst in den 70ern gegeben. Die um ihre Jugend betrogene
Generation holte das in ihren 30ern nach. Rock 'n' Roll, Schlagermusik...
"Da gab es doch ein Lied von Peter Alexander: "Ich weiß,
was dir fehlt, ein Mann, der keine Märchen erzählt"...
das war genau das Lied, das auf uns beide gepasst hat." Kitty Petersen
lächelt, streichelt - in Gedanken in den 50ern - ihren Hund, der
im Hier und Jetzt auf ihrem Schoß liegt. "Damals hatte ich
einen großen Tiger, ein Steiftier, das immer auf unserem Wohnwagendach
lag..."
Der Wohnwagen: Kitty flüchtete Anfang Mai 57 aus Berlin, Firma
und Ehe, Wilhelm 'Peter' Petersen aus Flensburg. Beide zogen sie im
Wohnwagen von Ort zu Ort. Sie arbeiteten für einen Messeveranstalter.
Erstmals wieder sesshaft wurden sie in Gaildorf, wo sie vom damaligen
Bürgermeister König im Rathaus getraut wurden. Kitty Petersen
hatte Arbeit bei der ARWA in der Werbeabteilung gefunden, ihr Mann später
bei der Bausparkasse. Auch sie kam später dorthin. Ihre Aufgabe:
Aufbau und Pflege eines Bildarchives.
Fotografieren ist heute noch eine große Leidenschaft von Kitty
Petersen: Natur vor allem, Landschaften, Pflanzen, Tiere, vor allem
Tiere. Jeder ihrer fünf Dackelhunde, die sie im Lauf der Zeit hatte,
ist mit einer kleinen Bildergalerie im Flur ihres Hauses verewigt: Jockele,
Pit, Toxi, Wauzi und jetzt Mohrle. Tiere sind für sie mehr als
nur Haustiere. Man kommt über sie in Kontakt mit wer weiß
wem alles... mit weltberühmten Schauspielern, mit Politikern, mit
den Chefs großer Wirtschaftsunternehmen. Kitty Petersen hat sich
nie gescheut auch mit diesen Leuten zu korrespondieren. Fast immer kamen
freundliche. persönliche Zeilen zurück. Und manchmal auch
eine Spende für ihren Tierschutzverein, für den sie seit 1983
tätig ist, nie in ganz vorderster Front, aber immer in dem Bereich,
den sie als "extrovertierter Widder" beherrscht: Öffentlichkeitsarbeit.
Kontak-te knüpfen, Meinungen austauschen, Leute motivieren. "Und
solange der Herrgott das will, machen wir das auch noch eine Weile,
nicht?", sagt sie zu ihrem Mohrle, den sie nach dem Tod von Wauzi
aus dem Tierheim geholt hat. "Komm, Mohrle. Zeit für unseren
Abendspaziergang."
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