Freilichtspiele / Umbau der Treppenbühne in einer Nacht

1000 Liter Wasser unterm Kinn

Acht Stunden Bauzeit für die riesige König-Philipp-Kopf-Kulisse in Schillers Don Carlos

Vier Mal muss er anderen Bühnenaufbauten weichen, der riesige Kopf von König Philipp alias Rüdiger Kuhlbrodt, der die Freilichttreppe in diesem Jahr dominiert. Und ebenso oft muss er wieder aufgebaut werden. Das dauert eine ganze Nacht.

Ernst-Walter Hug

Schwäbisch Hall. Es war Punkt 22 Uhr, als der Regieassistent am Dienstag Abend die Hände trichterförmig vor den Mund nahm und rief "Wir sind fertig. Danke!" Prompt kamen aus dem Halbdunkel des Platzes Ordner der Freilichtspiele, entfernten die Absperrkette und die "Freilichtspielproben. Bitte Ruhe"-Schilder. Keine zwei Minuten später kam ein großer Laster den Klosterbuckel herunter, parkte direkt vor der Treppe, fuhr seinen Sechs-Tonnen-Kran aus, während drei Mann der Gerüstbaufirma Gaukel begannen, die schräg über die Treppe verlaufende Gerüstmauer abzubauen, die das Bühnenbild von Brechts Dreigroschenoper dominiert. Anderthalb Stunden, schätzte Peter Lorenz werde er mit seiner Crew dafür benötigen. Weniger als eine Stunde brauchten Willi Rüpp, Michael Jochim und Jorgen Möbius.

Der Aufbau des riesigen Kopfes für Schillers Don Carlos ist ein richtiger Kraftakt. Profis und Bühnenhelfer arbeiten Hand in Hand. Foto: Arslan

Nächtliche Akkord-arbeit für die sie sich alle freiwillig gemeldet hatten? Zurück kommt ein ,Ja' mit fünf ,j' am Anfang. "Aber man sieht doch", ergänzt Peter Lorenz, "wir tun's mit Elan". Und der nötigte auch den Arbeitern des Freilicht-spiele-Bautrupps Respekt ab. Ralf und Ralph und Stefan und Stephan und Klaus und "ich bin der Mann, der eigentlich gar nicht hier ist" warteten schon mit Bühnenmeisterin Larissa Gund.
Noch bevor das Gerüst in Einzelteilen auf seiner Kranpalette gen Laster schwebte, stand schon das Podest, auf dem der über sieben Meter große Kopf ruht. Das Gebilde aus Styropor und Farbe auf einem Holzgestell, innen hohl und mit einem begehbaren Gestell versehen, das zugleich Spielort für eine Szene, Beleuchtungsträger und Gerüst für den inneren Halt des Kopfes ist, es zeigt die Züge des Hauptdarstellers Rüdiger Kuhlbrodt, der Don Carlos' Vater, König Philipp von Spanien spielt. Als er, so wird bei den Freilichtspielen erzählt, seinen in einer Kulissenbaufirma in Weimar gebauten Kopf in betongrau und riesengroß das erste Mal sah, habe er spontan gefragt, ob er das Requisit nach den Spielen für seine Terrasse zu Hause haben könne.
"Acht Stunden", meinte Bühnenmeisterin Larissa Gund, dauere der Aufbau des Kopfes aus den Teilen, die man außer Sicht des Publikums an der nördlichen Seitenmauer des Kirchplatzes gelagert hatte. Um 1.30 Uhr in der Nacht bekam sie einen Anruf aus Erfurt aufs Handy. "Toll. Philipps Nase steht." Der Anrufer hatte es im Internet über Halls Webcam (www.sha-online.de/view/ view.shtml) gesehen. Drinnen im Hohlraum des Kopfes aber stand Bühnenhelfer Klaus und hielt die Frontpartie und zwei Seitenteile mit Seilen zusammen. "Den lassen wir jetzt da stehen solange die Vorstellungen dauern", frotzelten die andern, brachten aber dann doch zu viert das schwere Metallgestell, das den Kopf zusammenhält. Und unterm Kinn wurden 1000 Liter Wasser in einen versteckten Tank gefüllt, der den Schwerpunkt des Kopfes nach unten bringt. Erdungskabel wurden angebracht und der Kopf mit Stangen im Torbogen des Turmes verankert.
Kurz nach 4.30 Uhr, der Himmel wurde schon langsam hell, konnte man im Internet sehen, wie die Bühnenscheinwerfer abgeschaltet wurden. Fertig. Und wenig später fuhr drunten am Marktplatz ein Kleintransporter vor: Der erste Marktstand für den Wochenmarkt wurde aufgebaut.